Umgang mit Medikamenten: Worauf es zu achten gilt
Mit dem Pflegebedarf der Eltern oder Angehörigen ziehen auch schnell eine Menge an Medikamenten ein. Eine Vielzahl an teilweise unaussprechlichen und ähnlich aussehenden kleinen „Pillen“: Von Tabletten über Kapseln, von Säften zu Emulsionen zu Tropfen, von Dosierung zu Applikation, wie ihr seht, mal wieder ein Dschungel in der Pflege, der mit enorm viel Verantwortung verbunden ist.
In einer kleinen Serie möchte ich euch ein bisschen „Fachwissen“ an die Hand geben, um euch den Umgang damit zu erleichtern.
1 – Wenn Angehörige Hilfe brauchen bei der Medikamenteneinnahme
Vorneweg möchte ich euch dazu sagen, solltet ihr euch mit dem „Richten“ der Medikamente oder der Gabe überfordert fühlen, habt ihr als direkten Ansprechpartner immer euren Hausarzt/-ärztin, ebenso aber auch die Apotheken und falls vorhanden die Pflegedienste oder Pflegeberater/-in.
Solltet ihr euch gar nicht dazu in der Lage fühlen, weil ihr es zum Beispiel aus beruflichen Gründen zeitlich nicht schafft oder ihr euch aus Sorge vor der Verantwortung davor scheut, ist das auch kein Problem. Dann könnt ihr diese Aufgabe einem Pflegedienst überlassen.
Tipp: Diese Leistung des ambulanten Dienstes kann über die Krankenversicherung (SGB V) abgerechnet werden, auch ohne anerkannten Pflegegrad. Dazu benötigt ihr nur eine Verordnung vom Arzt/der Ärztin.
Der Wegweiser für den ambulanten Dienst oder für euch, wenn ihr die Medikamente selber richtet, ist immer ein aktueller Medikamentenplan. Achtet darauf, dass der Plan regelmäßig beim Arztbesuch überprüft wird. Etwa einmal im Jahr ist eine gute Faustregel, wenn es nicht wegen der medizinischen Situation ohnehin öfter geschieht.
2 – Wirkung – Wechselwirkung – Nebenwirkung? Die Medikamentenanalyse hilft
Ein Augenmerk solltet ihr darauf haben, wenn viele Medikamente genommen werden müssen. Oftmals sind Medikamentenpläne veraltet oder es wurde nicht auf Wechselwirkungen geachtet. Folgen können unter anderem Schwindel, Blutdruckprobleme, Appetitverlust, Magengeschwüre und vieles mehr sein. Nicht zu vergessen ist, dass auch freiverkäufliche Medikamente Wechsel- oder Nebenwirkungen haben. Deswegen informiert bitte immer euren Hausarzt über Einnahme solcher Medikamente.
Wenn ihr den Eindruck habt, dass mit den Medikamenten etwas nicht rund läuft, rate ich euch zu einer kompetenten Medikamentenanalyse. Die Landesapothekenkammer NRW hat ein Konzept entwickelt, das inzwischen (fast) bundesweit angeboten wird, um euch genau bei dieser immensen Verantwortung fachlich zu unterstützen. Das Konzept nennt sich ATHINA = ArzneimittelTHerapiesicherheit IN Apotheken. In Baden-Württemberg kostet dieser Service beispielweise 69 € in Eigenleistung. Meiner Meinung nach wirklich gut investiertes Geld. Das Ganze erfolgt in vier Schritten:
- Ihr bringt alle Medikamente inkl. Medikamentenplan und ganz wichtig: auch die rezeptfreien Medikamente mit zu einem Erstgespräch mit dem/r Apotheker/-in. Falls unklare Symptome vorhanden sind, teilt sie unbedingt mit!
- Die Medikation wird in der Apotheke genau auf Neben- , Wechselwirkung, Kontraindikation oder Doppelverordnung geprüft.
- Das Ergebnis wird bei einem zweiten Termin besprochen und ihr erhaltet eine übersichtliche Medikamentenliste. Alle offenen Fragen oder Unsicherheiten werden hier besprochen. Bei Bedarf setzt sich die Apotheke mit eurem Haus- oder Facharzt in Verbindung, um Veränderungen zu klären.
- Am Ende steht für euch bzw. für eure Angehörigen eine optimale Einstellung der Medikamente. Ungewöhnliche Anwendungsformen wie z.B. ein Insulin-Pen können bei Bedarf noch einmal ausführlich erklärt werden.
Hier noch ein interessantes Video dazu: ATHINA Medikamentenanalyse.
3 – Tipps zum Richten der Medikamente
Wenn ihr das Richten der Arzneien für eure pflegebedürftigen Angehörigen übernehmt, schaut euch zu Beginn den Medikamentenplan genau an. Denn das ist eure Vorgabe, an die ihr euch strikt halten müsst. Schnell verwechselt man sonst das ein oder andere oder liegt bei der Dosierung falsch.
Aus meiner Erfahrung als Krankenschwester im Krankenhaus sowie auch im ambulanten Dienst, möchte ich euch einen roten Faden mitgeben, ein Stück Fachwissen, das auch in der professionellen Pflege so angewandt wird. Es handelt sich dabei um die 6-R Regel, eine Merkhilfe zur Kontrolle, dass die Medikamente korrekt gerichtet sind.
Hierbei empfehle ich euch Medikamentendispenser, die mit dem jeweiligen Wochentag beschriftet sind und Fächer bereithalten für den jeweiligen Zeitraum: morgens, mittags, abends, nachts.
Tipp: Für Patienten die Medikamente über mehr als vier Zeiträume am Tag benötigen (z.B. Parkinson Patienten) gibt es z.B. von Melipul Mehrwegmedikamentendosierer in XL mit je 8 Fächern pro Tag.
Die 6 R Regel setzt sich zusammen aus folgenden Punkten:
- Richtiger Patient (passt der Medikamentenplan zum Patienten?)
- Richtiges Arzneimittel (passt das Medikament zum Medikamentenplan?)
- Richtige Dosierung (passt die Konzentration/Dosierung des Medikamentes?)
- Richtige Applikation (passt die Verabreichungsform? z.B. Tablette, Saft, Kapsel, Salbe usw…)
- Richtiger Zeitpunkt (passt die Tages- / Uhrzeit?)
- Richtige ärztliche Anordnung (passt die Anordnung zum Medikament?)
Könnt ihr alle Fragen dazu mit Ja beantworten, ist das jeweilige Medikament korrekt gerichtet.
Auch wenn das zunächst sehr komplex wirkt, kann ich euch sagen, je öfter ihr danach handelt desto automatisierter wird es laufen und kaum noch Zeit in Anspruch nehmen.
4 – Dosierung / Appplikation: Zwei wichtige Worte kurz erklärt
Hier möchte ich euch zwei wichtige Worte, die euch aus meinem letzten Beitrag sicherlich bekannt vorkommen (6R-Regel), noch etwas genauer beschreiben. Diese sind enorm wichtig, wenn es um das Richten oder das Verabreichen der Medikamente geht.
Dosierung: viele Medikamente gibt es in verschiedenen Dosierungen/Konzentrationen, d.h. die Konzentration des Wirkstoffs kann unterschiedlich sein. Ein Beispiel dazu: Ibuprofen 200mg / 400mg / 600mg /800mg. Wichtig ist es, darauf zu achten anhand des Medikamentenplans die richtige Dosierung zu wählen.
Applikation: Medikamente können unterschiedlich verabreicht werden. Die wichtigsten Applikationsformen sind:
- Enteral: Das Medikament wirkt über den Verdauungstrakt, kann also über den Mund („oral“, „per os“; z. B. Tabletten) oder über den Enddarm („rektal“, z. B. Zäpfchen) eingenommen werden.
- Parenteral: Das Medikament würde z. B. durch die Magensäure zerstört oder nur vermindert wirken, deshalb wird u.a. gespritzt(Injektion) oder als Infusion verabreicht. Wichtig: Diese Art wird nur von Fachpersonal durchgeführt! (Ausnahme z.B.: Insulin)
- Lokal: Das Medikament wird an der Stelle oder dem Organ verabreicht, an dem es wirken soll. (z.B. Pflaster, Augen- / Ohrentropfen, Salben)
Wie zu Beginn meiner Serie beschrieben, ist das natürlich schon etwas vertiefend und sicherlich als Fachwissen zu bezeichnen. Solltet ihr hierzu Fragen haben evtl. auch aus Situationen bei euch zu Hause, dann schreibt mir doch hierzu eine Nachricht. Gerne helfe ich euch dazu weiter.
5 – Kann ich Tabletten einfach teilen?
Wenn sich die verordnete Dosierung verändert oder der Patient zum Beispiel Schwierigkeiten mit der Einnahme hat, dann liegt es manchmal nahe, Arzneien einfach zu teilen aufzulösen oder ähnliches.
Vorsicht! Ihr müsst dringend darauf achten, wie ihr die Medikamente verabreicht. Nicht jede Tablette ist teilbar, zu mörsern oder aufzulösen, nicht jede Kapsel darf man öffnen. Schaut hierzu ruhig in die Packungsanweisung.
Grundsätzlich gilt:
- Hat eine Tablette keine Einkerbung, darf sie nicht geteilt werden.
- Ist die Aufschrift „retard“ auf einer Verpackung zu finden, dürfen die Kapseln nicht geöffnet und die Tabletten auch nicht gemörsert werden. Das würde die „verzögerte“ Wirkungsweise des Medikaments deutlich beeinträchtigen.
- Habt ihr dennoch das Problem, dass Medikamente nicht geschluckt werden können, z.B. aufgrund von Schluckbeschwerden nach einem Schlaganfall, besprecht bitte Alternativen dazu mit eurem Hausarzt oder den Apotheken! Denn genau diese gibt es!
6 – In der Ruhe liegt die Kraft: Mit Bedacht gegen das Durcheinander
Die benötigte Menge an Medikamenten wächst bei pflegebedürftigen Angehörigen meist mit der Zeit immer weiter. Und manchmal gerät dabei die Übersicht verloren und es kommt zu einem wiederkehrenden Durcheinander. Haltet zwischendurch immer mal wieder inne:
- Nehmt Euch etwas Ruhe. Damit ihr nicht durcheinander kommt, braucht es Konzentration.
- Nicht immer spielen die Angehörigen bei der Einnahme reibungslos mit. Auch hier gilt: Bewahrt Ruhe.
- Lebensumstände ändern sich: Wenn die Arzneien nicht mehr in den Schuhkarton passen, muss vielleicht eine Schublade oder ein Schrankfach dazu freigeräumt werden.
- Überlegt, ob euch eine spezielle Ordnung hilft: Nach einzunehmender Tageszeit oder alphabetisch…
- Wenn ihr merkt, dass ihr diese Aufgabe nicht oder nicht mehr schafft, gebt sie an einen ambulanten Pflegedienst ab. Dazu genügt eine ärztliche Verordnung, es bedarf keines Pflegegrades.