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Die politische Situation ist ein Trauerspiel

Der Geschäftsführer der SHD-Gruppe Stefan Lux geht mit der Politik und den rechtlichen Regelungen zur Betreuung in häuslicher Gemeinschaft hart ins Gericht. Im Interview erklärt er seine Haltung.

Herr Lux, wie würden Sie die politische Situation zur Betreuung in häuslicher Gemeinschaft beschreiben?

Stefan Lux: Kurz gesagt, ist es ein Trauerspiel. Wir stehen weiterhin vor dem Problem, dass es keine rechtssicheren Regelungen für einen zukunftsorientierten Umgang mit der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft gibt. Während das CDU-geführte Gesundheitsministerium bei der letzten Pflegereform zumindest so weit war, dass die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft in das Sozialgesetzbuch aufgenommen werden sollte, hat das SPD-geführte Arbeitsministerium im Schulterschluss mit den Gewerkschaften die arbeitsrechtlichen Anpassungen blockiert. Da das Arbeitsministerium in der Hand der SPD bleibt und die Regierung deutlich nach links gerückt ist, erwarten wir keine Verbesserung der Situation.

 

Wie bewerten Sie den Koalitionsvertrag hinsichtlich der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft?

Stefan Lux: Was soll ich sagen: Der Begriff kommt nicht einmal vor. Es existiert genau ein Satz zu unserer Branche: „Wir gestalten eine rechtssichere Grundlage für die 24-Stunden-Betreuung im familiären Bereich.“ Das ist gar nichts und wird weder der Komplexität der Anforderungen gerecht noch der Bedeutung der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft! In Deutschland werden viele 100.000 Personen durch die Betreuung in häuslicher Betreuung professionell versorgt. Die Tendenz ist steigend. Bis zum Jahr 2030 fehlen laut Expertenschätzungen etwa 500.000 Fachkräfte, um die Pflegearbeit zu leisten. Sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Pflege geht eine neue Studie davon aus, dass knapp 700.000 Pflegebedürftige schon nicht mehr professionell betreut werden können. Wir brauchen also die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft, um den steigenden Bedarf zu decken und ambulante und stationäre Pflegekonzepte zu entlasten, soweit das möglich ist. Die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft ist neben der ambulanten und stationären Pflege die dritte Säule in der Betreuung alter und kranker Menschen.

 

Sie sagen, Sie erwarten keine Verbesserung der Situation. Das klingt, als befürchteten Sie sogar eine Verschlechterung?

Stefan Lux: Das herausragende Problem ist, dass von den Gewerkschaften keine arbeitnehmerähnlichen Modelle gewollt sind. Diese würden zu Ausbeutung führen, weshalb es nur Angestellte in der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft geben solle. Dazu muss man ein wenig ausholen. Dass eine Betreuungsperson in den Haushalt einzieht, hat für beide Seiten große Vorteile. Die betreute Person weiß, dass immer jemand im Hause ist, und die Betreuungsperson muss keinen eigenen Haushalt finanzieren. Alle Maßnahmen, die dieses bewährte Konzept in Frage stellen, werden die sowieso schon grassierende Schwarzarbeit nur noch mehr anfeuern. Dieses Setting ist aber in einem Angestelltenverhältnis nicht darstellbar, weil die Anwesenheit im Haushalt nach deutschem und europäischem Arbeitsrecht als Bereitschafts- und somit als Arbeitszeit gilt. Diese Erkenntnis hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes aus Juni 2021 nochmals deutlich bestätigt. Auch für Bereitschaftszeiten ausländischer Betreuungskräfte muss Mindestlohn gezahlt werden. Das ist aber schlicht nicht finanzierbar. Wenn sich das inklusive weiteren Arbeitgeberpflichten für Betreuungsbedürftige fortsetzt, ist der Weg in die Schwarzarbeit noch offener als bislang.

 

Was fordern Sie konkret?

Stefan Lux: In Österreich wurde 2007 mittels des Hausbetreuungsgesetzes die Live-In-Pflege rechtssicher gestaltet, indem die Betreuungspersonen als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter mit Sozialversicherungsschutz angesehen werden. Das muss in Deutschland auch möglich sein. Alles andere führt schlichtweg zu großen Unsicherheiten und Schäden bei Betreuungspersonen und Betroffenen, die sich allzu leicht durch Schwarzarbeit strafbar machen und schwerwiegenden Konsequenzen ausgesetzt sehen können. Mehr noch: Durch fehlende Regelungen wird die überwältigende Mehrheit der jährlich rund 700.000 ein- und ausreisenden Frauen in die Illegalität gedrängt und kann damit auch schutzlos ausbeuterischen Beschäftigungsverhältnissen ausgesetzt sein. Unser Branchenverband VHBP tritt seit Jahren für eine rechtliche Anerkennung und wirklich tragfähige gesetzliche Rahmenbedingungen für die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft ein.

 

Welches Modell setzen Sie in der SHD-Gruppe ein?

Stefan Lux: Wir arbeiten nach dem Rechtsmodell der Selbständigkeit von Betreuungspersonen mit Gewerbesitz in Deutschland. Das bedeutet, dass die Betreuungspersonen die Betreuungsdienstleistungen dann als selbständige Unternehmer auf eigenen Namen und eigene Rechnung erbringen. Das ist das unseres Erachtens einzig sinnvolle und rechtssichere Modell. Es ist wichtig, dass Kunden und Betreuungspersonen sich auf absolute Rechtssicherheit verlassen können. Daraus sollten sie bei der Auswahl der Agentur achten.