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Anerkannt nach § 45a SGB XI. Sie können mit der Pflegekasse abrechnen.

Ab wann gilt ein Mensch als pflegebedürftig?

Pflegebedürftigkeit

In Alltagsgesprächen unterhält man sich oft über und auch mit Menschen in unserer Umgebung, die ein wenig Hilfe benötigen. Wir gehen beispielsweise gerne für die ältere Nachbarin einkaufen, mähen für die Eltern den Rasen oder bitten die Kinder, kurz für ihren Opa den Garagenhof zu fegen. Aber gelten diese Menschen schon als pflegebedürftig? Und gibt es vielleicht nicht noch mehr, womit man Angehörige und Bekannte unterstützen könnte?

Übersicht

Der Begriff Pflegebedürftigkeit

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit kann von existenzieller Bedeutung sein. Denn wer in Deutschland offiziell pflegebedürftig ist, hat in der Regel auch Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung wie beispielsweise Pflegegeld oder Sachleistungen für einen ambulanten Pflegedienst. Deshalb hat der Gesetzgeber durch das Zweite Pflegestärkungsgesetz (PSG II) im Elften Sozialgesetzbuch (SGB XI) den Begriff der Pflegebedürftigkeit mit Wirkung ab 2017 neu definiert und die alten Pflegestufen in neue Pflegegrade umgewandelt. Hiernach sind Personen pflegebedürftig, wenn sie gesundheitlich bedingt in ihrer Selbstständigkeit oder in ihren Fähigkeiten beeinträchtigt sind und aus diesen Gründen der Hilfe durch andere Personen bedürfen. Pflegebedürftig ist also, wer

  • körperliche Beeinträchtigungen
  • kognitive Beeinträchtigungen
  • psychische Beeinträchtigungen
  • gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen

nicht selbstständig bewältigen oder kompensieren kann. Dieser Zustand muss für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bestehen.

Warum sollte eine Pflegebedürftigkeit festgestellt werden?

Gleichzeitig mit der Feststellung, dass eine Person pflegebedürftig ist, erfolgt die Einstufung in einen Pflegegrad 1, 2, 3, 4 oder 5 (früher Pflegestufen I, II und III). Dies gilt als Voraussetzung für Ansprüche auf

  • Pflegegeld
  • Pflegesachleistungen
  • Pflegehilfsmittel
  • Hilfsmittel
  • Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen u.a.

aus der gesetzlichen oder privaten Pflegeversicherung.

Was sollte beim Antrag auf Pflegebedürftigkeit und Pflegeleistungen beachtet werden?

Leistungen aus der Pflegeversicherung werden nur auf Antrag gewährt und sind abhängig davon, dass Versicherte vorher mindestens über zwei Jahre lang innerhalb der letzten zehn Jahre in die Pflegeversicherung eingezahlt haben. Der Antrag auf Pflegeleistungen wird schriftlich oder telefonisch bei der Pflegekasse gestellt, die immer bei der eigenen Krankenkasse ansässig ist. Sofern eine Bevollmächtigung besteht, dürfen auch pflegende Angehörige, Verwandte oder Freunde den Antrag stellen. Generell sollte das Antragsverfahren so früh wie möglich umgesetzt werden, damit auch die entsprechenden Leistungen nicht so lange auf sich warten lassen. Diese werden in der Regel ab Antragstellung gewährt.

Die Pflegekasse muss den Antrag innerhalb von 25 Tagen bearbeiten. In dringenden Fällen wie bei Krankenhausaufenthalten, stationären Rehabilitationsmaßnahmen, im Hospiz oder bei palliativer Versorgung muss die Pflegekasse sogar innerhalb einer Woche reagieren. In der Praxis versendet die Pflegekasse dann die notwendigen Formulare für die Pflegeleistungen zum Ausfüllen zurück und beauftragt gleichzeitig die Begutachtung.

Feststellung der Pflegebedürftigkeit

Nach Antragstellung beauftragt die Pflegekasse bei gesetzlich Versicherten den Medizinischen Dienst (MD, früher MDK) und bei privat Versicherten MEDICPROOF mit einer Begutachtung zur Feststellung und Einschätzung.

Für alle Medizinischen Dienste gilt bei der Begutachtung der Pflegebedürftigkeit das Begutachtungsverfahren nach den bundeseinheitlichen Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Die Gutachter orientieren sich an dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA), das sich in sechs Modulen auf folgende Bereiche konzentriert:

  • Modul 1 – Mobilität (Gewichtung 10 %)
  • Modul 2 – geistige und kommunikative Fähigkeiten (Gewichtung 15 %)
  • Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (Gewichtung 15 %)
  • Modul 4 – Selbstversorgung (Gewichtung 40 %)
  • Modul 5 – Selbstständiger Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Belastungen und Anforderungen sowie deren Bewältigung (Gewichtung 20 %)
  • Modul 6 – Gestaltung des Alltags und soziale Kontakte (Gewichtung 15 %)

Die Gutachter ermitteln in jedem einzelnen Modul den Grad der Selbstständigkeit. Sie vergeben dabei Punkte, um den Grad der jeweiligen Einschränkung sichtbar zu machen. Am Ende der Begutachtung fließen diese Punkte mit einer unterschiedlichen Gewichtung in einen Gesamtwert zusammen. Dieser Gesamtwert ist ausschlaggebend für die Einteilung in einen Pflegegrad. Die Gutachter empfehlen der Pflegekasse eine entsprechende Eingruppierung, die dieser in der Regel wie folgt entspricht:

PflegegradSumme der gewichteten PunkteEinschätzung
kein PGbis 12,5 PunkteNicht pflegebedürftig
PG 112,5 bis unter 27 PunkteGeringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und/oder der Fähigkeiten
PG 227 bis unter 47,5 PunkteErhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und/oder der Fähigkeiten
PG 347,5 bis unter 70 PunkteSchwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und/oder der Fähigkeiten
PG 470 bis unter 90 PunkteSchwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und/oder der Fähigkeiten
PG 590 bis 100 Punkte

Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und/oder der Fähigkeiten

+ mit besondere Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Worauf sollte bei der Begutachtung geachtet werden?

Die Begutachtung durch die Gutachter des Medizinischen Dienstes erfolgt in der Regel bei der antragstellenden Person im häuslichen Umfeld oder an ihrem aktuellen Aufenthaltsort. Der Termin zur Begutachtung wird vorab angekündigt und es wird empfohlen, dass auch pflegende Angehörige oder Pflegepersonen dabei anwesend sind.

Bei der Begutachtung wird überprüft, wie es um die körperlichen, geistigen und psychischen Fähigkeiten von Versicherten in den sechs vorerwähnten Modulen bestellt ist und welche Hilfen notwendig sind. Je nach Umfang und Schwere der Einschränkungen in der Selbstständigkeit oder im Bereich der Fähigkeiten werden Punkte vergeben, die später addiert und nach Vorschrift gewichtet werden.

Bei den Beeinträchtigungen in den Fähigkeiten wird nach folgendem Schema ermittelt:

  • selbstständig – 0 Punkte
  • überwiegend selbstständig – 1 Punkt
  • überwiegend unselbstständig – 2 Punkte
  • unselbstständig – 3 Punkte

bzw. bei den Fähigkeiten:

  • vorhanden – 0 Punkte
  • größtenteils vorhanden – 1 Punkt
  • in geringem Maße vorhanden – 2 Punkte
  • nicht vorhanden – 3 Punkte

Nach der Addition in der vorgegebenen Gewichtung entscheidet die Gesamtpunktzahl dann über die potenzielle Ablehnung des Antrages oder den jeweiligen Pflegegrad.

Bei der Begutachtung im häuslichen Umfeld werden in den Modulen häufig folgende Kriterien in Bezug auf Selbstständigkeiten bzw. Fähigkeiten überprüft:

  • Mobilität – Positionswechsel im Bett, stabiles Sitzen und Umsetzen, innerhalb des Wohnung laufen
  • Kognitive/kommunikative Fähigkeiten – Bekannte Personen erkennen, örtlich und zeitlich orientieren, Entscheidungsfindung, Gefahrerkennung, Bedürfnisse äußern
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen – Verhaltensauffälligkeiten, Aggressionen, Selbstschädigung, Abwehr der Pflege, Wahnvorstellungen, Depressionen
  • Selbstversorgung – Körperhygiene, An- und Ausziehen, Speisenzubereitung, Trinken, Toilettengang, Umgang mit Inkontinenz
  • Bewältigung und Umgang mit krankheits-/therapiebedingten Anforderungen – Medikamente, Verbandswechsel, Wundversorgung, Arztbesuche, Einhalten von Vorschriften
  • Gestaltung von Alltag und sozialen Kontakten – Alltagsgestaltung, Anpassen an Veränderungen, Zukunftsplanungen, Selbstbeschäftigung, Interaktion, Kontaktpflege

Darüber hinaus bewerten die Gutachter noch zwei weitere Module, nämlich außerhäusliche Aktivitäten und Haushaltsführung. Beide fließen jedoch nicht in die Berechnung des Pflegegrades ein, sondern dienen der Versorgungsplanung. Dadurch soll erfasst werden, inwieweit auch außer Haus Hilfe benötigt wird. Zusätzlich prüfen Gutachter, ob eine Rehabilitationsmaßnahme angezeigt ist, um den Gesundheitszustand zu verbessern oder die Pflegebedürftigkeit zu vermeiden bzw. hinauszuzögern.

Entscheidung der Pflegekasse

Die Entscheidung der Pflegekasse ergeht durch einen Feststellungs- und Leistungsbescheid mit folgenden Angaben

  • Nennung des Pflegegrades, in den Antragsteller eingestuft wurden
  • Umfang bzw. Höhe der gewährten Pflegeleistungen
  • Dauer des bewilligten Leistungsbezuges
  • Rechtsbehelfsbelehrung

Der Bescheid soll für Versicherte transparent und nachvollziehbar sein, weshalb automatisch auch das zugrundeliegende Gutachten mit übersandt wird. Wurde der Übermittlung widersprochen, kann das Gutachten auch später noch angefordert werden. Versicherte erhalten gesondert eine Präventions- und Rehabilitationsempfehlung. Bei empfohlenen ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahmen wird gleichzeitig ein Antragsverfahren mit dem zuständigen Träger auf Reha-Leistungen ausgelöst, sofern Versicherte dem zustimmen.

Keine Pflegebedürftigkeit? Widerspruch ist möglich!

Wurden Pflegebedürftigkeit, Pflegegrad und damit auch Pflegeleistungen abgelehnt, besteht nach den Vorschriften des SGB XI die Möglichkeit eines Widerspruchs. Gleiches gilt, wenn einem Antrag auf Höherstufung nicht stattgegeben worden ist. Die dem Bescheid beiliegende Rechtsbehelfsbelehrung weist auf diese Möglichkeit hin und beschreibt, wie das Widerspruchsverfahren durchgeführt werden kann.

Zu beachten ist Folgendes:

  • Ein Widerspruch muss innerhalb einer Frist von einem Monat eingelegt werden. Die Widerspruchsfrist beginnt mit der Zustellung des Bescheides.
  • Der Widerspruch muss schriftlich begründet werden. Hilfreich sind Informationen und Argumente, die sich den ärztlichen Krankenunterlagen, der Pflegedokumentation vom Pflegedienst, dem Pflegegutachten oder den Akten der Pflegekasse entnehmen lassen. Da eine Widerspruchsbegründung häufig etwas Zeit in Anspruch nimmt, kann der Widerspruch zunächst fristgemäß ohne Begründung eingelegt werden. Die Begründung sollte jedoch schnellstmöglich nachgereicht werden.
  • Das Widerspruchsverfahren ist kostenlos, sofern es selbst durchgeführt wird. Sollte jedoch ein Rechtsanwalt mit der Durchführung des Verfahrens beauftragt werden, müssen die Anwaltskosten zunächst selbst übernommen werden. Ist der Widerspruch erfolgreich, werden die Kosten zurückerstattet.

Nach Einlegung des Widerspruchs überprüft die Pflegekasse den Sachverhalt und erlässt einen Widerspruchsbescheid. Dieser enthält, ob dem Widerspruch stattgegeben wird oder aber nicht. Bei einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren muss die Pflegekasse einen neuen Bescheid erlassen, der den ersten (angegriffenen) Bescheid korrigierend ersetzt. Wird der Widerspruch abgelehnt, bleibt nur noch der Rechtsweg durch ein Klageverfahren vor dem zuständigen Sozialgericht. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides gibt Auskunft darüber, welches Gericht zuständig ist.

Klage vor dem Sozialgericht

Bei einem Klageverfahren vor dem zuständigen Sozialgericht fallen keine Gerichtskosten an. Die Klage kann durch Kläger selbst schriftlich formuliert werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, persönlich bei der Geschäftsstelle des Sozialgerichts vorzusprechen, damit jemand bei der Klageerhebung behilflich sein kann. Dies sollte jedoch nach telefonischer Voranmeldung zu den ausgewiesenen Geschäftszeiten geschehen.

Vor Sozialgerichten und Landessozialgerichten als nächst höhere Instanz dürfen sich Parteien selbst vertreten. Es muss also nicht zwingend ein Rechtsanwalt beauftragt werden. Nur für das Bundessozialgericht als letzte Instanz gilt nach wie vor Anwaltszwang.

Fazit

Auch wenn sich niemand gerne eingesteht, pflegebedürftig zu sein, spielt der Begriff eine entscheidende Rolle. Bei Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach Vorgabe des Elften Sozialgesetzbuchs erfolgt automatisch eine Eingliederung in einen Pflegegrad, was als Voraussetzung für zahlreiche Leistungen aus der Pflegeversicherung gilt.

Die Frage der Pflegebedürftigkeit kann weder rein praktisch, noch allgemein medizinisch beantwortet werden. Es geht schließlich darum, zu erkennen, wann Menschen ihre alltäglichen Aufgaben nicht mehr selbstständig bewerkstelligen können und auf Unterstützung angewiesen sind. Der gesetzliche Begriff der Pflegebedürftigkeit kann also nicht mit einer allgemeinen Bedürftigkeit gleichgesetzt werden. Menschen können durchaus Hilfe und Unterstützung benötigen, ohne dass sie von der Pflegekasse einen Pflegegrad zugewiesen bekommen haben. Benötigen Menschen nur wenig Hilfe und können weitestgehend selbstständig agieren, bekommen sie trotz vorhandenem Unterstützungsbedarf häufig keinen Pflegegrad.

Die Pflegekasse entscheidet, ob Versicherte nach den Regelungen der sozialen Pflegeversicherung pflegebedürftig sind. Dabei orientiert sich die Pflegekasse an der gutachterlichen Einschätzung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung oder von MEDICPROOF. Anhand der Richtlinien aus dem Neuen Begutachtungsassessment beurteilen die Sachverständigen aus dem Gesundheitswesen in einem persönlichen Gespräch mit Antragstellern, ob und in welchem Umfang sie pflegebedürftig sind.

Da hiervon zahlreiche Leistungen abhängen, sollte dem Feststellungs- und Eingruppierungsverfahren entsprechend viel Aufmerksamkeit beigemessen werden. Wird eine nicht zutreffende oder unfaire Entscheidung getroffen, sollten Antragsteller sowohl Widerspruchsverfahren als auch Klageverfahren in Erwägung ziehen.

Übrigens: Falls bei einer Person, die Ihnen nahesteht, eine Pflegebedürftigkeit annerkannt wurde, kommt möglicherweise auch eine Seniorenbetreuung wie beispielsweise unsere 24 Stunden Pflege in Betracht. Ihr Vorteil bei der SHD: Als anerkannter Dienstleister nach § 45 a SGB XI profitieren Sie von Leistungen aus der Pflegekasse. Dadurch ist unser Angebot in vielen Fällen günstiger als der Schwarzmarkt.