Pflegende Angehörige und Pflegekräfte hören in Gesprächen immer wieder den Satz, dass ihr Gesprächspartner „das nicht könnte!“. Mit „das“ ist aber nicht nur die eigentliche Pflege gemeint, sondern ein Tabuthema: Ekel. Wer einen pflegebedürftigen Menschen versorgt, muss mit dem Anblick und den Gerüchen von Körperflüssigkeiten, Sekreten und Ausscheidungen umgehen können. Besonders häufig entstehen derartige Emotionen bei der Pflege von Menschen mit Demenz. Im fortgeschrittenen Stadium bringt die Demenz Betroffene dazu, dass das Gespür für Körperhygiene in Verlust geht. Die Erkrankten können jedoch nichts dazu und machen dies auch nicht mit Absicht.
Das Gefühl der Abscheu, das sich dann bei nahem Kontakt mit hilfsbedürftigen und kranken Menschen entwickeln kann, ist allerdings völlig normal. Jeder Mensch hat ein anderes Empfinden, wenn es um Abneigung geht. Während sich einige beim Geruch von Erbrochenem am liebsten schütteln würden, gelangen andere erst beim Beseitigen von Stuhlgang aus der Bettpfanne an ihre individuelle Schmerzgrenze. Auch eiternde oder nässende Wunden bei der Wundversorgung sowie Bronchialsekret können Abscheu und Übelkeit verursachen.
Dennoch wird über Ekel in der Pflege nicht gern – auch nicht unter Kollegen – gesprochen. Gegen das tabuisierte Gefühl ist jedoch niemand immun und – noch wichtiger – keiner sollte sich dafür schämen oder Schuldgefühle hegen. Es gibt dennoch hilfreiche Tipps & Tricks, wie mit dem Widerwillen umgegangen werden kann.
Überblick
Warum man sich bei Ekel in der Pflege nicht schämen muss
Mit dem unbehaglichen Ekelgefühl haben nahezu alle Menschen irgendwann zu kämpfen, wenn sie in die Pflege eingebunden sind. Die Wäsche des Intimbereichs, das Versorgen von Wunden oder auch das Wechseln von Inkontinenz-Materialien kann herausfordernd sein. Bei pflegenden Angehörigen ist es aufgrund der fehlenden Distanz häufig noch etwas ausgeprägter, was nicht selten zusätzlich zu Schuldgefühlen führt. Dabei ist jemand, der sich ekelt, weder überempfindlich oder unprofessionell – sondern ganz normal.
Ekelgefühle haben nicht nur in der Pflege eine Daseinsberechtigung. Sie erfüllen wichtige Schutzfunktionen. Die Fähigkeit, Abscheu zu empfinden, ist in unseren Genen verankert. Ekelgefühle gehören zu den angeborenen Warnsignalen gegen vermeintlich schädliche Einflüsse. Sieht etwas ekelerregend auch oder riecht verdorben, fühlen wir uns davon abgestoßen. Unser Organismus reagiert mit Abscheu oder dem Würgereflex sofort auf etwas Ekelerregendes. So hilft das Ekelgefühl bei der Krankheitsvermeidung. Fiese Ausdunstungen oder ein abstoßender Geschmack warnen vor giftigen oder verdorbenen Lebensmitteln. Das Gehirn warnt durch diese spontanen Reaktionen vor krankmachenden Substanzen, die wir besser meiden sollten. In der Pflege gehören u.a. offene Wunden, Exkremente oder Auswurf dazu, die allesamt Erreger mit sich bringen könnten. Abscheu kann auch Motivation betrachtet werden, sich selbst und in der Pflege auch andere sauber zu halten.
Das Ekelempfinden ist individuell. Jeder Mensch reagiert auf entsprechende Reize mehr oder weniger schnell und intensiv. Unterschieden wird auch darin, wie gut wir Widerwillen regulieren können. Menschen mit einer niedrigen „Ekel-Schwelle“ haben es schwerer im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen. Eine Rolle spielen dabei auch Zeiten und Tagesformen. Am frühen Morgen werden Reize intensiver wahrgenommen als am Rest des Tages. Und auch das ist völlig normal. Das Ekelgefühl ist also menschlich, wichtig und sinnvoll. Wer dieses Gefühl verdrängt, tut sich selbst und auch der pflegebedürftigen Person nichts Gutes. Denn auch für Pflegebedürftige ist es nicht angenehm und peinlich, wenn ihnen beispielsweise die Windel gewechselt werden muss.
Selbstreflexion als erster wichtiger Schritt
Mit Abscheu kämpfen nicht nur pflegerische Laien, sondern auch professionelle Pflegekräfte. Leider wird nicht oft darüber gesprochen, obwohl es Möglichkeiten gibt, mit Ekel in der Pflege umgehen zu können. Zunächst ist es wichtig, sich Ekelgefühle einzugestehen. Niemand sollte bewusst „cool“ tun, sondern ruhig zugeben, wenn eine Situation als ekelig empfunden wird. Kritische Situationen werden leichter, wenn man sich Widerwillen eingesteht. Anstatt das Gefühl zu unterdrücken, Schuldgefühle zu entwickeln und sich dafür zu schämen, sollte besser daran gearbeitet werden, mit Abscheu umzugehen und handlungsfähig zu bleiben.
Dafür muss man Ekelgefühle zunächst einmal verstehen: Ekel entsteht in einer Gehirnregion, die Mandelkern genannt wird. In dieser Region werden Signale mit Gedächtnisinhalten und Gefühlen verknüpft sowie in Handlungen umgesetzt. Für Ekelreaktionen wie Würgereiz, Erbrechen und Speichelfluss ist das Brechzentrum zuständig, das im Rückenmark sitzt und als Bestandteil des vegetativen Nervensystems kaum beeinflusst werden kann.
Abscheu wird zu einem Großteil angeeignet. Kleinkinder spielen noch mit ekeligen Dingen oder stecken sie in den Mund. Sie reagieren auch nicht auf ekelige Aromen. Erst in einem Alter zwischen drei und fünf Jahren entwickelt sich das Bewusstsein für Sauberkeit und Abscheu vor Dingen, die mit Tod oder Krankheit zu tun haben. Am häufigsten wird Widerwillen über den Geruchssinn ausgelöst. Zusätzlich spielen Assoziationen eine Rolle. In einem Versuch hat eine Psychologin ausgewählten Studenten frischen Orangensaft aus einer nagelneuen und sterilen Urinflasche angeboten, was bei vielen Teilnehmern der Studie dennoch Abscheu auslöste.
Zu weiten Teilen ist Abscheu also erlernt. Es gibt jedoch kulturelle Differenzen. Weltweit am häufigsten als ekelerregend wahrgenommen werden offene Wunden, Leichen, Körperprodukte, verdorbene Lebensmittel oder einige Tiere. Frauen sind in der Regel sensibler als Männer. Auslöser werden bei vertrauten Personen als weniger ekelig empfunden als bei Fremden.
Da das Ekelgefühl durch eine Kombination aus Reizen und Erinnerungen entsteht, ist auch eine Gewöhnung möglich. Haben Pflegekräfte beispielsweise oft Kontakt zu Urin oder Stuhl, lassen die Reaktionen darauf mit der Zeit nach. Wahrgenommen werden die sensorischen Informationen weiterhin, aber der emotionale Gehalt dahinter lässt nach. Ganz verloren gehen die Reaktionen aber nicht und auch der Gewöhnungseffekt funktioniert nicht immer. Den Widerwillen zu verdrängen hilft nicht. Ganz im Gegenteil besteht dann das Risiko, dass sich die Emotionen stauen und dazu führen, mit Betroffenen oder Patienten schlecht umzugehen sowie mit der eigenen Leistung unzufrieden zu sein. Die Kenntnis, dass Ekelgefühle ganz normal sind, hilft dabei, sich selbst abzuwerten und mit Ignoranz oder Abwertung zu reagieren. Lassen sich ekelige Situationen nicht vermeiden, kann man sich beispielsweise mental darauf vorbereiten.
Hilfreiche Tipps, wie mit Ekel in der Pflege umgegangen werden kann
- Dazu stehen: Es ist ok, Abscheu zu empfinden. Niemand muss den Helden spielen. Auf Nachfrage von Betroffenen kann geantwortet werden, dass man sich zwar ekelt, aber damit umzugehen weiß.
- Gut planen: Eine gute Planung und Vorbereitung hilft dabei, sich nicht unnötig lange mit einer misslichen Aufgabe befassen zu müssen. Wenn körpernahe mit körperfernen Aufgaben abwechselt, senkt seine Belastung.
- Vorbeugen: Vielen typischen Ekelsituationen kann aus pflegerischer Sicht vorgebeugt werden. Zu stark konzentrierter Urin hängt häufig mit einer zu geringen Trinkmenge zusammen, Durchfälle mit Kotsteinen oder viralen Infektionen und Wunden mit Dekubitus, weil die Lagerung vielleicht nicht optimal war.
- Ablenkung & Fokus: Ekelige Situationen sollten mit Humor genommen werden. Auch wenn die Konzentration auf dem technischen Vorgang bleibt, lenkt es ein wenig ab.
- Distanz & Schutz: Vor Gerüchen schützt ein Mundschutz und auch Handschuhe oder Schürzen stellen eine Barriere dar. Die Schutzkleidung hilft nicht nur, Infektionen zu vermeiden, sondern reduziert auch das Ekelgefühl.
- Auszeit und räumliche Distanz: Wenn gar nichts mehr geht, sollte nach Möglichkeit kurz die Situation verlassen werden. Wer für einige Minuten zum Luft schnappen den Raum verlässt, der kann sich in dieser kleinen Pause schnell wieder fangen.
- Gerüche vertreiben: Raumsprays, ätherische Öle oder das Öffnen des Fensters lassen schlechte Gerüche verschwinden.
- Richtig Atmen: Bei unangenehmen Gerüchen sollte flach geatmet werden. So dringt der Geruch weniger in die Nase ein. Alternativ kann auch nur über den Mund geatmet oder kurz die Luft angehalten werden.
- Darüber sprechen: Die Thematik sollte besprochen werden. Nur so erfährt man vielleicht Strategien für eine psychische Abgrenzung, die man selbst noch nicht ausprobiert hat. Das gilt auch für erfahrene Pflegekräfte, die sich stets neu auf Heimbewohner oder Patienten einstellen müssen.
- Mentaler Schutz: Durch eine Dusche oder ausgiebige Wäsche nach der pflegerischen Tätigkeiten lässt sich ein mentaler Schutz trainieren. Pflegende benötigten aus psychologischer Sicht das Gefühl, dass sie sich selbst nicht physisch und seelisch kontaminiert haben.
Fazit
Es gibt viele Tätigkeiten im pflegerischen Bereich, die Widerwillen hervorrufen können. Abscheu ist normal und sollte auch als gewöhnliches Phänomen betrachtet werden. Das Ekelgefühl zu verdrängen oder zu überspielen, bietet keinerlei Vorteile. Erst die Akzeptanz motiviert, Strategien zu entwickeln, wie damit umgegangen werden kann. Grundsätzlich kann Nähe bzw. Sympathie jedoch Ekelgefühle abmildern. Wir empfinden weniger Ekel, wenn wir uns um wertgeschätzte Menschen aus unserem Umfeld kümmern. Eine gute Planung und Vorbereitung kann dabei helfen, unangenehme Pflegeaufgaben effektiv und schnell zu erledigen. Nach einer unangenehmen Situation sollte eine kleine Pause eingelegt werden, um sich vom Reiz zu erholen.
An Ekel gibt es nichts Schlimmes. Menschen sind individuell und so ist es auch mit den Ekelgefühlen. Einige ekeln sich schon vor der kleinsten Spinne, während andere ohne Scheu Erbrochenes wegwischen und ihnen nichts anzumerken ist. Zwar tragen Gewohnheiten manchmal dazu bei, dass Ekelgefühle nur noch abgeschwächt wahrgenommen werden, aber auch das gilt nicht für alle. Wer partout nicht mit Ekel in der Pflege klarkommt, oder sich erst gar nicht solch unangenehmen Situationen aussetzen möchte, findet in der 24 Stunden Betreuung tatkräftige Unterstützung. Die Betreuungskräfte der SHD Seniorenhilfe Dortmund sind den Umgang mit alten und pflegebedürftigen Menschen gewohnt. Sie haben Erfahrung in grundpflegerischen Aufgaben und unterstützen darüber hinaus auch im Haushalt und Alltag.
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