Ein Pflegegrad ist ein Maßstab in der deutschen Pflegeversicherung (SGB XI), der die Schwere der Pflegebedürftigkeit einer Person festlegt. Er drückt aus, wie stark die Selbstständigkeit oder die Fähigkeiten einer Person in verschiedenen Lebensbereichen eingeschränkt sind.
Die Einstufung in einen Pflegegrad ist die Voraussetzung dafür, Leistungen der Pflegekasse in Anspruch nehmen zu können.
Welche Pflegegrade gibt es?
In Deutschland gibt es fünf Pflegegrade, die seit Januar 2017 das frühere System der Pflegestufen abgelöst haben. Die Einstufung richtet sich nach dem Grad der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten einer Person:
- Pflegegrad 1: Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
- Pflegegrad 2: Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
- Pflegegrad 3: Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
- Pflegegrad 4: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit.
- Pflegegrad 5: Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
Der Pflegegrad wird durch eine Begutachtung ermittelt, bei der verschiedene Lebensbereiche betrachtet werden, und hängt von der erreichten Punktzahl ab. Je höher der Pflegegrad, desto umfangreicher sind in der Regel die Leistungen der Pflegeversicherung.
Wie wird ein Pflegegrad beantragt?
Die Beantragung eines Pflegegrades läuft in Deutschland nach einem klaren, mehrstufigen Verfahren ab.
Schritt 1: Antragstellung bei der Pflegekasse
Der wichtigste erste Schritt ist die formlose Antragstellung bei der zuständigen Pflegekasse. Die Pflegekasse ist der gesetzlichen Krankenkasse angegliedert. Bei privat Versicherten wird der Antrag bei der privaten Pflegepflichtversicherung gestellt.
Es reicht ein formloser Anruf, eine E-Mail, ein Fax oder ein kurzer Brief, mit dem Leistungen der Pflegeversicherung beantragt werden. Wichtig ist, Namen, Daten, Adressen und die Versicherungsnummer mit anzugeben.
Der Antrag sollte so früh wie möglich gestellt werden, da Leistungen frühestens ab dem Tag der Antragstellung gewährt werden.
Schritt 2: Die Pflegebegutachtung
Nachdem der Antrag eingegangen ist, beauftragt die Pflegekasse den zuständigen Gutachterdienst. Bei gesetzlich Versicherten wird der MD – Medizinische Dienst mit der Begutachtung beauftragt, während bei privat Versicherten die Gutachter von Medicproof den Auftrag erhalten.
Der jeweilige Gutachterdienst wird einen Termin für die Begutachtung bei der pflegebedürftigen Person zu Hause oder in der Einrichtung) vereinbaren. Bei diesem Termin verschafft sich der Gutachter ein umfassendes Bild von der Selbstständigkeit und den Fähigkeiten der antragstellenden Person.
Dabei werden sechs Lebensbereiche (Module) geprüft, nämlich:
- Mobilität (z.B. Gehen, Treppensteigen)
- Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (z.B. Orientierung, Gespräche führen)
- Verhalten und psychische Problemlagen
- Selbstversorgung (z.B. Waschen, Essen, Anziehen)
- Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen
Zur Vorbereitung der Pflegebegutachtung wird empfohlen, ein Pflegeprotokoll mit Notizen zu den jeweiligen Einschränkungen bzw. benötigten Hilfestellungen vorzulegen. Auch sollten alle wichtigen medizinischen Unterlagen (Arztberichte, Medikamentenplan) bereitgehalten werden.
Die Gutachter, ob vom Medizinischen Dienst oder von Medicproof, bewerten in den sechs Modulen die Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person. Für jedes einzelne Modulen werden Punkte vergeben. Die größte Besonderheit liegt in der Gewichtung dieser Module, denn nicht alle Lebensbereiche zählen gleich viel. Die Selbstversorgung, also Dinge wie Waschen, Essen und Anziehen, hat mit 40 Prozent die höchste Bedeutung für die Berechnung. Die Bewältigung von Krankheiten und Therapien, zum Beispiel die Medikamenteneinnahme, fließt mit 20 Prozent ein. Die Mobilität zählt vergleichsweise geringer, nämlich nur 10 Prozent. Die Gestaltung des Alltags und die kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen werden jeweils mit 15 Prozent gewichtet, wobei aus den letzten beiden Modulen nur der jeweils höhere Punktwert berücksichtigt wird.
Nachdem die Punkte in den Modulen gewichtet und addiert wurden, ergibt sich die Gesamtpunktzahl. Diese liegt auf einer Skala von 0 bis 100. Diese Gesamtpunktzahl wird dann direkt einem Pflegegrad zugeordnet. Die Gesamtpunktzahl spiegelt somit unmittelbar den Grad der notwendigen Unterstützung wider und legt die Höhe der Leistungen fest.
Schritt 3: Entscheidung und Bescheid
Auf Grundlage des Gutachtens erstellt der Gutachter eine Empfehlung für einen Pflegegrad. Die Pflegekasse entscheidet über den Antrag und teilt den festgestellten Pflegegrad (oder die Ablehnung) schriftlich durch Bescheid mit. Diese Entscheidung muss in der Regel innerhalb von 25 Arbeitstagen nach Antragstellung erfolgen. Gegen den Bescheid kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden.
Leistungen nach Pflegegraden (Stand: 2025)
Leistungen bei häuslicher Pflege
Pflegegeld steht Pflegebedürftigen zur freien Verfügung, wenn die Pflege durch Angehörige oder ehrenamtliche Helfer übernommen wird:
- Pflegegrad 1: Kein Anspruch auf Pflegegeld.
- Pflegegrad 2: 347 € pro Monat.
- Pflegegrad 3: 599 € pro Monat.
- Pflegegrad 4: 800 € pro Monat.
- Pflegegrad 5: 990 € pro Monat.
Pflegesachleistungen, die direkt mit einem ambulanten Pflegedienst abgerechnet werden können:
- Pflegegrad 1: Kein Anspruch auf Sachleistungen.
- Pflegegrad 2: 796 € pro Monat.
- Pflegegrad 3: 1.497 € pro Monat.
- Pflegegrad 4: 1.859 € pro Monat.
- Pflegegrad 5: 2.299 € pro Monat.
Entlastungsbetrag für niedrigschwellige Entlastungsangebote und Angebote zur Unterstützung im Alltag:
- Für alle Pflegegrade (1 bis 5): 131 € pro Monat.
Tages- und Nachtpflege (Teilstationär)
- Pflegegrad 1: Es kann der Entlastungsbetrag (131 €) genutzt werden.
- Pflegegrad 2: 721 € pro Monat.
- Pflegegrad 3: 1.357 € pro Monat.
- Pflegegrad 4: 1.685 € pro Monat.
- Pflegegrad 5: 2.085 € pro Monat.
Leistungen bei vollstationärer Pflege (Pflegeheim)
Bei Aufenthalt in einem Pflegeheim übernimmt die Pflegekasse einen pauschalen Anteil der reinen Pflegekosten:
- Pflegegrad 1: Es kann der Entlastungsbetrag (131 €) genutzt werden.
- Pflegegrad 2: 805 € pro Monat.
- Pflegegrad 3: 1.319 € pro Monat.
- Pflegegrad 4: 1.855 € pro Monat.
- Pflegegrad 5: 2.096 € pro Monat.
Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten fallen zusätzlich an. Die Pflegekasse zahlt jedoch abhängig von der Dauer des Heimaufenthalts Zuschläge, die den zu tragenden Eigenanteil für die reinen Pflegekosten reduzieren.
Leistungen unabhängig von den Pflegegraden
Diese Leistungen stehen allen Pflegebedürftigen mit einem anerkannten Pflegegrad (1-5) zur Verfügung:
- Pflegehilfsmittel zum Verbrauch
- Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
- Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege