Fast alle Menschen streben einen harmonischen Umgang mit anderen an. Insbesondere älteren Menschen begegnen wir mit Wertschätzung und Anerkennung. Innerhalb von Familien versucht die jüngere Generation den älteren Familienmitgliedern einen schönen Lebensabend zu gestalten. Genau das ist manchmal aber nicht leicht: Häufig verändert sich die Persönlichkeit eines älteren Familienmitgliedes stark. Das im Alter weit verbreitete Phänomen der Charakterveränderung stellt Verwandte vor Herausforderungen. Früher freundliche und zuvorkommende Menschen können im Alter uneinsichtig, aggressiv oder sogar gehässig werden. Dann weiß plötzlich keiner mehr so genau, wie man sich ihnen gegenüber verhalten soll.
Manchmal geht es sogar so weit, dass Familienangehörige ihre älteren Verwandten gar nicht mehr wiedererkennen. Deshalb ist das Wissen über „normale“ Persönlichkeitsveränderungen sehr wichtig, um diese von krankheitsbedingten Charakterwandlungen abgrenzen zu können.
Das Wichtigste im Überblick
- Charakterveränderungen im Alter sind bis zu einem gewissen Grad normal, können aber auch mit einer Erkrankung zusammenhängen
- Ab einem Alter von 70 Jahren verändert sich bei Senioren häufig die Persönlichkeit stark und ohne Muster, also in unterschiedliche Richtungen
- Normale Veränderungen betreffen einen verlangsamten Tagesablauf oder Schusseligkeit
- Veränderungen wie Aggressivität, Ablehnung, Stursinn oder boshaftes Verhalten können medizinische Gründe haben
- Krankheiten wie Altersdepressionen, Demenz, Alzheimer oder körperliche Erkrankungen können Charakterveränderungen auslösen
- Die Ursachen für Persönlichkeitveränderungen sollten ärztlich abgeklärt werden
- Familienmitglieder benötigen Geduld, Verständnis und sollten sich über potenzielle Erkrankungen informieren
- Wenn pflegende Kinder oder Enkel bei der Versorgung an ihre Grenzen gelangen, sollte professionelle Hilfe in Betracht gezogen werden
Welche Charakteränderungen im Alter sind normal?
Früher herrschte die These, dass sich im Alter die Persönlichkeit stabilisiert. Ganz im Gegenteil kommt eine amerikanisch-deutsche Studie zu dem Ergebnis, dass sich in einem Alter von über 70 Jahren sehr häufig die Persönlichkeit eines Menschen verändert. Die Veränderungen sind dann genauso stark ausgeprägt wie im jungen Erwachsenenalter. Der Unterschied liegt aber darin, dass die Veränderungen bei Senioren keinem Reifungsmuster folgen. Das Wesen von Senioren kann sich also in sehr unterschiedliche Richtungen entwickeln.
Dass sich im Alter der Charakter einer Person etwas verändern kann, ist normal. Schließlich verändern sich meistens auch die Lebensbedingungen. Vielleicht wird durch eine Erkrankung der Tagesablauf anders oder langsamer. Auch eine „Schusseligkeit“ stellt sich häufig ein, die aber ganz klar von einer Demenzerkrankung abgegrenzt werden kann. Es gibt aber auch Wesensveränderungen, die über das normale oder alterstypische Maß hinausgehen. Familie und Umfeld werden durch stures, beleidigendes, aggressives, ablehnendes oder sogar boshaftes Verhalten belastet, was nicht unter den typischen Altersstarsinn fällt. Die früher liebevollen Eltern oder Großeltern machen dem Rest der Familie plötzlich das Leben schwer. Nehmen die Persönlichkeitsveränderungen ein Ausmaß an, bei dem Familienmitglieder ständig verletzt und gekränkt werden, können die Wesensveränderungen auch auf einer krankheitsbedingten Ursache basieren.
Welche Anzeichen sprechen für eine medizinisch verursachte Wesensänderung?
Es ist für Laien nicht leicht, eine alterstypische Wesensveränderung von gesundheitlich relevanten Verhaltensauffälligkeiten zu unterscheiden. Das moderne Leben ist schnelllebig und komplex, was ältere Generationen vor Herausforderungen stellt. Viele Senioren können sich nicht mehr darauf einlassen und verändern sich generationsbedingt. Sie fühlen sich überfordert, fremd und deplatziert. Diese Veränderungen sind normal, aber bei tiefgreifenderen Charakterveränderungen ohne Ursache in Umgebungsbedingungen sollte ein Arzt hinzugezogen werden.
Eine medizinische Ursache könnte sich beispielsweise hinter folgenden Hinweisen verbergen:
- das Wesen verändert sich plötzlich und ohne eine objektiv wahrnehmbare Ursache
- Senioren verhalten sich aggressiv gegenüber Angehörigen und Fremden
- ältere Menschen sind orientierungslos und unsicher
- Antriebslosigkeit und Vernachlässigung von sozialen Kontakten, Rückzug
- tiefes Misstrauen bis hin zum Verfolgungswahn gegenüber anderen Menschen
- Änderung des Schlaf-Wach-Rhythmus oder Schlaflosigkeit
Mögliche Krankheiten, die eine Wesensveränderung verusachen können
Altersdepressionen
Depressionen im Alter kommen als Ursache in Betracht, wenn Senioren schwierig werden. Im Alter entwickeln etwa 20 % aller Senioren eine Altersdepression, wobei der Anteil bei Heimbewohnern zunehmend höher ausfällt. Altersdepressionen werden entweder sehr spät oder sogar gar nicht erkannt, weshalb auf folgende Anzeichen geachtet werden sollte:
- Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Gliederschmerzen
- Schwindel
- Herzrhythmusstörungen
- Probleme beim Atmen
- Verstopfung und Magen-Darm-Probleme
- Missempfindungen, insbesondere in den Gliedern
- Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust
- Müdigkeit und Schlafprobleme
- Konzentrationsprobleme
- Unruhe
- Aggressionen, selbstverletzendes Verhalten
Zu Beginn klagen Senioren oft über körperliche Symptome wie Verdauungsprobleme oder Schmerzen und informieren nicht über ihren Gemütszustand und ihre Gefühle. Die Depressionen fallen Angehörigen meistens erst dann auf, wenn ein sozialer Rückzug erfolgt. Menschen mit Altersdepressionen sind antriebs- und lustlos. Sie verhalten sich gleichgültig gegenüber anderen Menschen oder besonderen Ereignissen. Ihre Freudlosigkeit führt zu einem sozialen Rückzug. Sie leiden unter Depressionen und bekommen plötzlich Weinkrämpfe. Oft zeigen sich auch Symptome wie Aggressivität und Reizbarkeit, welche insbesondere bei Männern häufiger vorkommen.
Altersdepressionen können sogar zu Suizidgedanken führen, weshalb unbedingt eine Diagnose und Behandlung durch einen Arzt erforderlich ist. Zu den Behandlungsmöglichkeiten zählen neben Medikamenten auch Psychotherapien. Sofern Depressionen die Charakterveränderung im Alter ausgelöst haben, wird durch die Therapie auch der Umgang mit Betroffenen wieder harmonischer.
Demenz / Alzheimer-Krankheit
Viele Demenzerkrankungen treten typischerweise erst im Alter auf. In Deutschland gibt es etwa 1,8 Millionen Demenzkranke. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken, steigt mit fortgeschrittenem Alter an. Die vorherrschende Demenzform ist die Krankheit Alzheimer, bei der die Nervenzellen im Gehirn schrittweise verloren gehen. Die zweithäufigste Form ist die vaskuläre Demenz, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn oder einen Schlaganfall entstehen kann. Zu den neurodegenerativen Erkrankungen gehört auch die Parkinson-Krankheit, bei der das Nervensystem ebenfalls betroffen ist.
Bei einer Demenz im Anfangsstadium denken viele Angehörige noch an den Altersstarrsinn. Bei folgenden Anzeichen sollte jedoch ein Arzt konsultiert werden, da sich dahinter eine Demenz verbergen könnte:
- Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Misstrauen oder Stimmungsschwankungen
- Vergesslichkeit
- nachlassendes Interesse an Kontakten oder Hobbys
- Wortfindungsstörungen
- Orientierungsprobleme
- Fehleinschätzungen bei Gefahren
- Abstreiten von Verwechslungen oder Fehlern
Bei Fortschritt einer Demenzerkrankung fällt es Angehörigen auf, dass beispielsweise immer wieder die gleichen Handlungen wiederholt oder Fragen gestellt werden. Betroffene wandern plötzlich in der Nacht umher oder äußern Misstrauen. Es gibt auch Demenzpatienten, die sich verbal oder körperlich aggressiv verhalten. Leider ist der Großteil aller Demenzerkrankungen nicht heilbar. Es kann Angehörigen aber helfen, sich mit der Krankheit auseinander zu setzen, damit sie mit mehr Verständnis für betroffene Familienmitglieder reagieren.
Zahlreiche Demenzsymptome sprechen für eine Persönlichkeitsveränderung im Alter mit medizinischer Grundlage. Bei einer beginnenden Demenz verhalten sich Erkranke oft fahrig, unstrukturiert oder reizbar. Sie wissen selbst, dass etwas nicht stimmt. Die Charakterveränderung kann auch mit der damit verbundenen Angst und Unsicherheit zusammenhängen. Menschen mit Demenz können auch Beschwerden, Schmerzen oder Bedürfnisse nicht mehr richtig äußern. Sie nehmen diese wahr, können sie aber nicht mehr zuordnen und um Hilfe bitten. Auch dies ist ein Umstand, warum sich das Wesen von Betroffenen verändern kann.
Körperliche Erkrankungen
Charakteränderungen können auch körperliche Gründe haben, weshalb bei Veränderungen der Persönlichkeit auch körperliche Untersuchungen beim Arzt empfohlen werden. Besonders häufig lösen die folgenden körperlichen Erkrankungen auch Wesensveränderungen aus.
- Schmerzen
- Stoffwechselerkrankungen
- Krebserkrankungen
- Sauerstoffmangel
- Schilddrüsen Über- oder Unterfunktionen
- Lungen- oder Herzerkrankungen
Tipps für Angehörige – wie mit Charakterveränderungen im Alter umgehen?
Angehörige sollten auffällige Charakterveränderungen bei älteren Familienmitgliedern genauso ernst nehmen wie rein körperliche Symptome. Im Idealfall sollten diese bei einem Arztbesuch angesprochen werden, damit dieser psychische Erkrankungen von physischen trennen oder ausschließen kann. Senioren mit Schmerzen oder anderen Beschwerden leiden darunter, was auf die Stimmung drückt. Betroffene ziehen sich zurück und werden passiv, was körperliche Krankheiten noch verschlechtern kann.
Manchmal gibt es aber auch eine ganz einfache Erklärung, wenn Senioren schwierig werden – nämlich Schwerhörigkeit. Hören Senioren schlecht, können sie auch keine Gespräche mehr führen. Gleiches gilt bei starkem Hall oder Nebengeräuschen im Zimmer. Hörbeeinträchtigungen fallen zu Beginn kaum auf. Dennoch können später Probleme auch in ruhigen Umgebungen oder beim Fernsehen und Radiohören auftreten. Betroffene ziehen dann häufig aus sozialen Situationen zurück, vermeiden Gespräche und sind deshalb frustriert oder leiden unter dem Gefühl der Scham.
Sind die Veränderungen auf eine Demenzerkrankung zurückzuführen, sollten sich Angehörige ebenfalls mit der Krankheit beschäftigen. Über Verständnis und Geduld hinaus gibt es ein paar Grundsätze für den Umgang mit Demenzkranken.
Für Kinder und Enkel ist es oft besonders schwer, Veränderungen des Charakters bei Eltern oder Großeltern zu erleben. Dies insbesondere dann, wenn Aggressivität, Misstrauen oder Verbitterung deutlich werden. Wichtig ist, ein solches Verhalten nicht persönlich zu nehmen. Manchmal hilft eine Ablenkung, um herausforderndes Verhalten zu unterbrechen. Für ältere Menschen sind Strukturen und gewohnte Routinen wichtig, weshalb Familienmitglieder auf die Einhaltung derartiger Orientierungspunkte achten sollten. Feste Zeiten für Schlaf, Essen oder Ruhe sorgen eher für ein ausgewogenes Gemüt. Pflegende Angehörige dürfen sich im Pflegealltag nicht selbst vergessen und sich auch nicht scheuen, um Hilfe zu bitten. Wenn überforderte Angehörige weiterhin die Pflege alleine stemmen, hat niemand etwas davon. Überforderung begünstigt nicht nur Fehler, sondern riskiert auch die Gesundheit.
Persönlichkeitsveränderungen belasten die ganze Familie und ziehen das ansonsten gute Verhältnis zwischen älterer und jüngerer Generation in Mitleidenschaft. Nahe Familienmitglieder haben Schwierigkeiten, die Veränderungen als solche zu akzeptieren und fühlen sich verletzt – obwohl sich das herausfordernde Verhalten in der Regel nicht gegen Angehörige richtet, sondern auf Erkrankungen zurückzuführen ist. Sich dann emotional abzuschotten, ist für viele schwer.
Pflegende Angehörige haben ein Recht auf Unterstützung und Hilfe, da sie nicht kontinuierlich Rücksicht auf die neue Persönlichkeit von Senioren nehmen können. Bevor das zwischenmenschliche Verhalten dauerhaft zu Enttäuschungen, Wut oder Niedergeschlagenheit führt, sollte professionelle Hilfe in Erwägung gezogen werden. Eine Pflege und Versorgung durch Dritte bietet den Vorteil, dass Betreuungskräfte die benötigte Distanz wahren und unter Charakterveränderungen im Alter nicht so leiden wie enge Familienmitglieder. Pflege- und Betreuungskräfte betrachten die Situation aus einer anderen Perspektive und agieren liebevoll, aber professionell. Die psychische und physische Belastung von Angehörigen entfällt; sie können sich wieder auf das harmonische Familiengefüge konzentrieren.
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