Die Entscheidung, den letzten Lebensabschnitt im eigenen Zuhause zu verbringen, ist für viele ältere Menschen ein Ausdruck von Selbstbestimmung und Vertrauen. Doch damit dieser Wunsch Wirklichkeit werden kann, braucht es mehr als nur gute Pflege. Auch die räumlichen und technischen Bedingungen müssen stimmen. Aber worauf kommt es an, damit Menschen in ihrem Zuhause alt werden können und es zu einem Ort wird, an dem Betreuung in häuslicher Gemeinschaft möglich ist?
Von Stefan Lux, Geschäftsführer der SHD Seniorenhilfe Dortmund
Wer über Betreuung in häuslicher Gemeinschaft nachdenkt, beginnt nicht mit der Frage nach Technik oder Ausstattung. Sondern mit dem Wunsch, dass ein geliebter Mensch Zuhause alt werden kann. Die räumlichen Voraussetzungen sind dabei nicht statisch gegeben, sondern lassen sich mit wenigen Mitteln gestalten und weiterentwickeln. Oft genügt ein aufmerksamer Blick, ein Gespräch über Bedürfnisse, ein erster Schritt zur Veränderung. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, realistisch hinzusehen und offen zu bleiben für neue Möglichkeiten. Denn ein Zuhause, das für Betreuung offen ist, entsteht nicht durch Quadratmeter, sondern durch Haltung. Es entsteht dort, wo Vertrauen wachsen darf – und wo die Vorbereitung nicht von Angst, sondern von Fürsorge getragen wird. Wer diesen Weg bewusst geht, schafft Raum für Nähe, Sicherheit und ein würdiges Miteinander – in einem Zuhause, das auch in herausfordernden Zeiten ein Zuhause bleibt.
Das eigene Zuhause ist für viele Menschen ein Lebensanker: ein Ort, der Erinnerungen trägt, Sicherheit gibt und den Übergang in den letzten Lebensabschnitt begleiten kann. Wenn Betreuung in häuslicher Gemeinschaft zum Thema wird, steht oft die Frage im Raum, ob die Wohnung oder das Haus dieser Aufgabe gewachsen ist. Dabei geht es nicht in erster Linie um Perfektion oder Standardlösungen, sondern um die schlichte Frage: Ist dieser Ort geeignet, um Fürsorge zuzulassen und dabei die Würde des betreuten Menschen zu wahren?
Zimmer wird zum Herzstück der Betreuung
Ein zentraler Aspekt ist die räumliche Struktur. Für eine gute Betreuungssituation braucht es nicht zwingend große Flächen, wohl aber eine sinnvolle Anordnung der Räume. Idealerweise steht der betreuten Person ein eigenes Zimmer zur Verfügung, das Rückzug ermöglicht und zugleich in die häusliche Umgebung eingebettet ist. Es sollte hell, gut erreichbar und so eingerichtet sein, dass es persönliche Gegenstände, Erinnerungsstücke und vertraute Routinen aufnehmen kann. Dieses Zimmer wird zum Herzstück der Betreuung, nicht nur als Schlafraum, sondern als geschützter Ort des Alltags.
Ebenso bedeutsam ist, dass auch die Betreuungsperson einen Rückzugsraum hat. Sie lebt über Wochen und Monate mit im Haushalt, trägt Verantwortung, begleitet Tag und Nacht. Um diese Aufgabe dauerhaft auszuüben, braucht es einen Ort, an dem auch sie zur Ruhe kommen kann. Die räumliche Trennung muss keine große Distanz bedeuten – aber sie schafft ein Gleichgewicht, das für das Gelingen der Betreuung wesentlich ist. Wo beide Seiten Raum für sich haben, entsteht Respekt, Nähe und eine stabile Form des Zusammenlebens.
Auch im Hinblick auf Barrierefreiheit sollten einfache Voraussetzungen erfüllt sein. Türen und Flure sollten mit Hilfsmitteln begehbar sein, Stufen möglichst vermieden oder durch Rampen überwindbar gemacht werden. Ein Badezimmer, das ohne große Anstrengung genutzt werden kann, zählt zu den wichtigsten Faktoren. Hier kann bereits mit kleinen Anpassungen viel erreicht werden – durch Haltegriffe, rutschfeste Böden oder einen Duschhocker. Ziel ist es nicht, das Zuhause in eine Pflegeeinrichtung zu verwandeln, sondern den Alltag so zu gestalten, dass Sicherheit und Selbstständigkeit erhalten bleiben.
Zuhause alt werden: Atmosphäre der Wertschätzung schaffen
Technik kann in diesem Zusammenhang wertvolle Dienste leisten – wenn sie dezent und unterstützend eingesetzt wird. Eine einfache Notrufmöglichkeit, eine gute Beleuchtung mit Bewegungsmeldern oder smarte Sensoren, die Bewegungsmuster erkennen, können das Sicherheitsgefühl stärken und Angehörigen wie Betreuungspersonen helfen, den Alltag aufmerksam zu begleiten. Auch digitale Kommunikationsmittel – vom Tablet bis zum sprachgesteuerten Assistenten – können, richtig eingesetzt, dazu beitragen, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten und Routinen zu unterstützen. Technik sollte jedoch niemals die Beziehung ersetzen, sondern sie begleiten. Entscheidend ist, dass sie als Hilfe empfunden wird, nicht als Kontrolle.
Neben den funktionalen Aspekten zählt vor allem eines: das Gefühl, dass der betreute Mensch nicht nur geduldet, sondern willkommen ist. Ein Zuhause, das in Würde alt werden lässt, ist nicht allein eine Frage der Ausstattung, sondern der Haltung. Es braucht Geduld, Offenheit und die Bereitschaft, sich auf neue Lebensphasen einzulassen. Wo Angehörige bereit sind, gemeinsam mit Betreuungspersonen eine Atmosphäre der Wertschätzung zu schaffen, entstehen Räume, in denen Vertrauen wachsen kann – auch dann, wenn der Weg beschwerlicher wird.
Ein Ort der Rückbindung
Auch wenn Menschen zu Hause sterben möchten, stellt sich diese Frage in ihrer tiefsten Dimension. Dann geht es nicht nur um Komfort, sondern um Abschied und Menschlichkeit. Ein Zuhause, das das zulässt, braucht kein Spezialbett mit Technikarmaturen. Es braucht Ruhe, Wärme, vertraute Stimmen, Licht am Abend, und die Möglichkeit, inmitten des eigenen Lebens loszulassen. Die Betreuung in häuslicher Gemeinschaft kann gerade in dieser Phase eine unschätzbare Rolle spielen, weil sie nicht aus der Distanz begleitet, sondern aus der Nähe, mit Zeit und Mitgefühl.