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Digitale Pflegeanwendungen: Was kommt nach der Theorie?

Ein Senior drückt den SOS-Knopf eines Ortungsgeräts.

Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) sollen die häusliche Versorgung verbessern, den Alltag erleichtern und Pflegebedürftige wie Angehörige entlasten. Doch bislang bleibt die praktische Umsetzung hinter den Erwartungen zurück. Gerade in der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft zeigt sich, wie groß das Potenzial wäre – und warum es mehr braucht als Apps und Paragrafen, um Pflege digitaler und menschlicher zugleich zu gestalten.

Von Stefan Lux, Geschäftsführer der SHD Seniorenhilfe Dortmund

Mit der Einführung der sogenannten Digitalen Pflegeanwendungen (DiPA) hat der Gesetzgeber einen neuen Weg eingeschlagen, um digitale Technologien gezielt in den Pflegealltag zu integrieren. Pflegebedürftige Menschen mit einem anerkannten Pflegegrad können seither Anwendungen nutzen, die ihre Selbstständigkeit fördern, ihre Alltagskompetenz erhalten oder ihre pflegerische Versorgung unterstützen – etwa Erinnerungs-Apps, Bewegungstrainings, Tagebuchfunktionen oder digitale Kommunikationshilfen. Finanziert werden diese Leistungen durch die Pflegeversicherung mit bis zu 50 Euro monatlich, bei Bedarf ergänzt durch eine weitere Pauschale für die Anleitung durch Pflegekräfte. Die Idee ist bestechend: niedrigschwellige, individuell zugeschnittene Lösungen, die den Alltag erleichtern und Angehörige wie professionelle Betreuende entlasten.

Zwischen App-Store und Alltagsbegleitung liegen Welten

Doch die Praxis sieht bislang anders aus. Trotz gesetzlicher Grundlage und regulatorischem Rahmen nach § 40a SGB XI ist der Markt für digitale Pflegeanwendungen kaum in Bewegung geraten. Es fehlen zertifizierte Angebote, evaluierte Wirksamkeitsnachweise und tragfähige Konzepte für die Integration in die reale Versorgungssituation. Dabei wäre der Bedarf gerade im häuslichen Umfeld groß – vor allem in der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft, wie die SHD Seniorenhilfe Dortmund sie organisiert und begleitet. Denn hier treffen zwei Dinge aufeinander, die kaum digitalisiert sind: die Lebenswelt älterer, oft kognitiv eingeschränkter Menschen und die kontinuierliche, persönliche Betreuung durch eine im Haushalt lebende Betreuungskraft. Zwischen App-Store und Alltagsbegleitung liegen Welten – und doch genau hier könnten DiPA einen wirklichen Unterschied machen.

Digitale Pflegeanwendungen können hilfreiche Nebenrolle spielen

Der besondere Charakter der Live-in-Betreuung besteht darin, dass Pflege und Alltag untrennbar verbunden sind. Es geht nicht um punktuelle Hilfeleistungen oder geplante Pflegemaßnahmen, sondern um ein Leben in Beziehung, um Struktur, um emotionale Stabilität und biografisch vertraute Abläufe. Digitale Pflegeanwendungen könnten in diesem Kontext nicht die Hauptrolle übernehmen, wohl aber eine hilfreiche Nebenrolle spielen. Eine App, die an das Trinken erinnert, eine gemeinsame Tagebuchfunktion, die kognitive Übungen anleitet, oder ein digitales Kommunikationssystem zur Verbindung mit Angehörigen – all das kann dazu beitragen, die Betreuungsarbeit zu ergänzen, zu strukturieren und auch für Angehörige transparenter zu machen. Vorausgesetzt, die Anwendungen sind bedienbar, verständlich, und sie integrieren sich in die Kommunikation zwischen Betreuungskraft, Angehörigen und eventuell eingebundenem Pflegedienst.

Gute Pflege bleibt Beziehungssache – auch in der digitalen Zeit!

Der Knackpunkt liegt genau hier: DiPA wurden bislang in erster Linie aus technischer Sicht gedacht – nicht aber aus der Perspektive realer Pflegearrangements. Wer die Realität der häuslichen Gemeinschaftsbetreuung kennt, weiß, dass digitale Angebote nicht losgelöst funktionieren können. Sie müssen in den Alltag eingebunden werden, erfordern eine Begleitung und Einweisung, und sie müssen kulturelle wie sprachliche Hürden überwinden. Die Betreuungskräfte im Live-in-Modell kommen oft aus dem Ausland, sind hochengagiert, aber mit digitaler Technik nicht immer vertraut. Gleichzeitig sind die betreuten Personen häufig in einem Alter und einem gesundheitlichen Zustand, der komplexe Anwendungen oder abstrakte Menüführungen nicht zulässt. Was es braucht, sind einfache, intuitive, verlässliche Lösungen – und vor allem ein integrativer Ansatz, bei dem Technik als Ergänzung zur menschlichen Betreuung verstanden wird, nicht als Alternative.

Die SHD Seniorenhilfe Dortmund beobachtet diese Entwicklungen aufmerksam. Schließlich haben digitale Unterstützung in der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft eine Zukunft. Aber sie muss praxisnah entwickelt und erprobt sein. Deshalb plädieren wir für Pilotprojekte, die DiPA gezielt in Live-in-Kontexte integrieren: mit technischer Schulung für Betreuungskräfte, mit individueller Beratung für Familien und mit enger Begleitung durch professionelle Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner. Nur so kann sich zeigen, ob die theoretischen Potenziale der Digitalen Pflegeanwendungen auch im Alltag tragen – und ob aus Paragrafen reale Entlastung wird.

Was nach der Theorie kommt, entscheidet sich nicht im App-Store, sondern im Wohnzimmer. Dort, wo Menschen in Würde altern wollen, betreut von einem anderen Menschen, der sie kennt, achtet und begleitet. Wenn die Digitalisierung hier eine hilfreiche Rolle übernimmt, dann ist sie willkommen. Aber sie darf nie das Menschliche ersetzen – nur ergänzen. Genau das ist der Maßstab, an dem wir als SHD Seniorenhilfe Dortmund jeden technischen Fortschritt messen. Denn gute Pflege bleibt Beziehungssache – auch in der digitalen Zeit.